Der Fotoatlas Neuroanatomie ist ein Präparateatlas und Kurzlehrbuch in einem, das Studierenden die Neuroanatomie in 11 Kapiteln näherbringen will. Der einführende Text am Beginn der Kapitel und die begleitenden Texte zur Topographie sind zwar ausführlich und angenehm zu folgen, halten sich aber dezent im Hintergrund, der Fotoatlas wird – wie es sich gehört – von den großen, gestochen scharfen Fotos dominiert, die intuitiv formuliert „einfach traumhaft schön“ sind. Zur besseren Übersichtlichkeit wurde jedes Präparatefoto 1:1 abgezeichnet und als farbige, schematisierte Zeichnung neben dem Präparatefoto abgebildet. Beschriftet sind die topographischen Strukturen nur in der Schemazeichnung, so kann man sich selbst sehr gut am unbeschrifteten Präparatefoto abprüfen.
Zu futuristisch sind jedoch die Schemata der Gefäße geraten (entnommen aus dem Lippert Lehrbuch der Anatomie), was zwar vermutlich als Erleichterung im Sinne der Systematik beabsichtigt war, aber eher noch die bildliche Vorstellung erschwert, die es zum Auswendiglernen von Arterien- und Venenästen nun eben braucht. Der „Lippert-Stil“ ist Geschmackssache, meins ist es absolut nicht.
Die roten „Klinik“-Boxen sind sehr hilfreich, und schlagen die Brücke zur Klinik, indem sie klinische Aspekte von Pathologien des jeweiligen Gehirnabschnittes zusammenfassen. Diese Boxen behandeln u.a. Hirnstammreflexe, Hydrocephalus, erhöhten Hirndruck, Schädigungsmuster der Capsula interna, Parkinson, Demenz, Dyskinesien, Schlaganfall aber auch anatomische Variationen und Möglichkeiten der bildgebenden Darstellung von Gefäßen. Am Ende von jedem Kapitel erwartet einen eine Seite mit Prüfungsfragen im nur allzugut vertrauten Fragenstil mit reichlich Verneinungen und – what else - 5 Antwortmöglichkeiten.
Das Format des Buches selber ist gewöhnungsbedürftig breit, was man aber im Hinblick auf den dadurch gewonnenen Platz für größere Fotos durchaus in Kauf nimmt. Schade, dass der Fotoatlas als Softcover erscheint, ein Hardcover würde meiner Meinung nach besser zu einem Fotoatlas dieser Qualität passen und sicherlich auch dessen Handhabung angenehmer machen.
Fazit
Obwohl die einzelnen Präparierschritte zu den Fotos detailliert beschrieben werden, würde ich den Fotoatlas Neuroanatomie im großen Sezierkurs nicht als Sezieranleitung sondern vielmehr zum Lernen der Neuroanatomie verwenden. Darüber hinaus ist es ein hervorragendes Buch, mit dem auch neurologisch interessierte Studierende älterer Semester, die ihre Neuroanatomie-Kenntnisse wiederholen und vertiefen oder einfach nur bestimmte Strukturen nachschlagen möchten, ihre wahre Freude haben werden. Ein Lehrbuch wie den Trepel kann und will der Fotoatlas nicht ersetzen, aber wenn man die Strukturen am Gehirn von vornhinein anhand der Präparatefotos lernt statt von idealisierten Schemata, schult man seinen Blick und findet sich am Prüfungspräparat sicherlich besser zurecht. Wäre mir der Fotoatlas schon zu meinen Sezierkurszeiten untergekommen, hätte ich den Neuro-Prometheus sicher links liegengelassen.